Wenn der Körper weiß, was der Kopf noch sortiert: Nervensystemarbeit für Führungskräfte

Manchmal braucht es kein weiteres Gespräch. Sondern: Atem. Körper. Raum.

Führung passiert nicht nur im Kopf. Sie beginnt im Körper.
Dein Nervensystem entscheidet schneller, als du denken kannst – und dein Team spürt es.

Wer führen will, braucht Klarheit. Und Klarheit entsteht nicht allein durch Methoden, sondern durch Regulation: die Fähigkeit, unter Druck präsent zu bleiben, ansprechbar zu sein – und andere nicht mitzureißen in Stress oder Erstarrung.


Warum Nervensystemarbeit Führung verändert

Neuroscience und Polyvagal-Theorie zeigen: Unser Nervensystem scannt permanent, ob wir in Sicherheit sind. Dieser Prozess – „Neurozeption“ – läuft unbewusst.

  • Fühlst du dich sicher, bist du offen, neugierig, kreativ.
  • Fühlst du dich bedroht, übernimmt der Autopilot: Kampf, Flucht oder Erstarrung.

Als Führungskraft bist du kein isoliertes Nervensystem. Dein Zustand steckt an. Studien zu emotionaler Ansteckungbelegen: Puls, Atem, Mimik – sie übertragen sich binnen Sekunden.³

Fazit: Führung ist weniger eine Frage von Tools – sondern von körperlicher Präsenz.


Praxisbeispiel: Meeting unter Druck

Zwei Varianten:

  1. Du betrittst den Raum gehetzt, sprichst schnell, atmest flach. Dein Team spürt Alarm.
  2. Du kommst reguliert: ruhiger Blick, hörbarer Ausatem, aufrechter Körper. Schon bevor du sprichst, signalisiert dein Nervensystem: „Hier ist Sicherheit.“

Das verändert den ganzen Raum.


Nervensysteme stecken an – in beide Richtungen

Nervensysteme sind ansteckend. Immer.
Darum wiegen wir Babys, wenn sie weinen. Wir schaukeln sie – und mit jedem Rhythmus beruhigen sich nicht nur die Kleinen, sondern auch wir.

Probier es selbst: Schaukle in deiner Mittagspause für ein paar Minuten. Kein Tool, sondern ein uraltes Muster: Rhythmus reguliert. Und ja – es macht sogar Spaß.

Genau so läuft es in Teams.
Wenn du ruhig bist, Vertrauen ausstrahlst und im Körper verankert bleibst, überträgt sich das. Dein Nervensystem sendet: „Es ist sicher.“ – und andere docken an.
Genauso umgekehrt: Unruhe, Druck, Getriebenheit stecken ebenso an.

Führung heißt also auch: bewusst in die Richtung anstecken, die Stabilität schafft.


Körperbasiertes Coaching für Führung

„Embodiment“ bedeutet: Körper und Geist sind keine getrennten Sphären. Jede Haltung, jede Geste beeinflusst, wie du denkst und entscheidest.

Nervensystemarbeit für Führungskräfte heißt konkret:

  • Wahrnehmen: Puls, Atem, Körperspannung im Moment bemerken.
  • Regulieren: bewusst verlangsamen, ausatmen, Boden spüren.
  • Ko-regulieren: durch Blickkontakt, Stimme, Haltung Sicherheit anbieten.

So entsteht Authentizität nicht als Maske, sondern als verkörperte Haltung.


Drei Mikro-Tools für den Führungsalltag

1. Boden finden
Vor Präsentationen 30 Sekunden Füße auf den Boden drücken, Gewicht spüren. Signal: Erdung.

2. Atmen, statt erklären
Wenn es hitzig wird: drei ruhige Atemzüge nehmen, bevor du antwortest. Pausen wirken stärker als Argumente.

3. Stimme nutzen
Sprich langsamer, mit hörbarem Ausatem. Eine ruhige Stimme wirkt direkt auf die Nervensysteme im Raum.


Wissenschaftlicher Hintergrund

  • Polyvagal-Theorie (Porges): Der Vagusnerv reguliert soziale Sicherheit. Ein ruhiger Atem, weicher Blick, warme Stimme signalisieren „safe & connected“.
  • Embodiment-Forschung (Cuddy, Niedenthal): Körperhaltungen prägen Wahrnehmung, Emotion und Entscheidung.⁴
  • Stress- und Führungsforschung: Führungskräfte, die Nervensystemarbeit praktizieren, steigern Vertrauen, Konfliktfähigkeit und Teamresilienz.

Hamburg als Resonanzraum

Gerade in einer Stadt wie Hamburg, wo Business-Druck, Veränderungsprozesse und Internationalität zusammentreffen, ist Nervensystemarbeit mehr als ein „Soft Skill“. Sie ist eine Führungskompetenz.
Ob im Coachingraum oder im Büro an der Elbe – der Körper bleibt dein erster Resonanzraum.


Fazit: Führen heißt regulieren

Führung ist Nervensystemarbeit.
Dein Kopf plant, dein Körper entscheidet – und dein Team spürt es.

Wer lernt, den eigenen Zustand zu bemerken und zu regulieren, gewinnt die Fähigkeit, auch in Turbulenzen klar und vertrauenswürdig zu führen.


Quellen
3. Barsade, S. G. (2002): The ripple effect: Emotional contagion in groups. Administrative Science Quarterly.
4. Cuddy, A. J. C., Wilmuth, C. A., & Carney, D. R. (2012): The Benefit of Power Posing Before a High-Stakes Social Evaluation. Harvard Business School Working Paper.
Porges, S. (2011): The Polyvagal Theory.