„Dann wäre ich ja nicht mehr authentisch.“
Ein Satz, den ich ständig höre – in Coachings, Führungstrainings, Alltagsgesprächen.
Doch oft ist er weniger Klarheit als Ausrede.
Ein Stoppschild, das Veränderung abwehrt: So bin ich halt.
Was heißt überhaupt „authentisch“?
Das Wort stammt vom griechischen authentikós – „sich selbst seiend“.
Aber: Wer oder was ist dieses Selbst?
- Das, was ich gewohnt bin?
- Oder das, was gerade in mir lebendig ist?
- Bin ich „ich selbst“, wenn ich auf Autopilot laufe – oder wenn ich Neues wage, auch wenn es ungewohnt ist?
Wenn jemand sagt: „Das wäre nicht mehr authentisch“, frage ich manchmal:
Oder wäre es einfach nur ungewohnt?
Echtheit ist mehr als Ungefiltertheit
Gerade in Führung wird Authentizität schnell mit Spontanität verwechselt.
Doch echt sein heißt nicht: alles rauslassen.
Echtheit bedeutet:
- Ich bin bei mir – und in Beziehung.
- Ich weiß, wer ich bin – und entscheide, was in diesem Moment stimmig ist.
Manchmal bedeutet das Offenheit.
Manchmal auch Zurückhaltung – ohne mich selbst zu verraten.
Authentisch führen heißt nicht, alles zu zeigen.
Es heißt: bewusst präsent zu sein.
Rolle heißt nicht Maske
Ein häufiger Einwand: „In dieser Rolle bin ich nicht mehr ich.“
Doch Rollen sind keine Masken. Sie sind Kontexte, in denen unterschiedliche Facetten sichtbar werden dürfen.
- Als Elternteil bin ich anders als im Coachingraum.
- Im Kundengespräch anders als mit Freunden.
Und doch: In allen Rollen bin ich ich.
Nicht gespielt, sondern gewählt.
Rolle heißt: Ich entscheide, welche Seite von mir jetzt stimmig ist.
Die Forschung unterstützt das: Menschen haben nicht ein festes Selbst, sondern viele Selbstaspekte, die je nach Kontext aktiviert werden (Markus & Wurf, 1987). Rollen sind also kein Verrat, sondern Ausdruck dieser Vielschichtigkeit.
Wenn Authentizität zur Ausrede wird
Die Harvard-Professorin Herminia Ibarra schreibt: „Wenn wir uns zu sehr an eine starre Vorstellung von Authentizität klammern, blockieren wir unser Wachstum.“
Anders gesagt: Was wir für „authentisch“ halten, ist oft nur Gewohnheit.
Echte Authentizität entsteht, wenn wir uns selbst im Wandel erlauben.
Fragen, die Türen öffnen
- Bin ich gerade wirklich bei mir – oder verteidige ich nur meine Komfortzone?
- Nenne ich etwas „authentisch“, das vielleicht nur Gewohnheit ist?
- Wovor schützt mich mein „So-bin-ich-halt“-Satz?
- Was wäre jetzt ehrlich – ohne dass ich alles zeigen muss?
- Wie sieht in diesem Moment stimmiges Handeln aus?
Fazit
Vielleicht ist Authentizität kein festes Ziel, sondern eine Haltung:
Mich selbst ehrlich wahrzunehmen – und dann bewusst zu entscheiden, wie ich mich in diesem Moment zeigen möchte.
Echt. Beweglich. Bewusst.
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